Ursachen von Morbus Hunter: IDS-Gen und X-chromosomale Vererbung

Morbus Hunter ist eine Erbkrankheit und wird durch ein mutiertes (verändertes) Gen verursacht. Dieses Gen trägt den Bauplan für die Bildung eines Enzyms mit dem Namen Iduronat-2-Sulfatase (I2S bzw. IDS). Da das IDS-Gen im Falle der Erkrankung verändert ist, wird das Enzym IDS nicht mehr korrekt oder gar nicht mehr hergestellt und kann deshalb nicht richtig funktionieren. Insgesamt wurden bisher über 300 verschiedene Genveränderungen identifiziert, die bei der Ausprägung des Hunter-Syndroms involviert sein können.1

Das Enzym IDS wird dazu benötigt, Glykosaminoglykane (GAGs = eine Form bestimmter Kohlenhydrate) abzubauen. Dies ist ein wichtiger Prozess im Katabolismus (Abbau von Stoffwechselprodukten) des Körpers und findet in den Lysosomen der Zellen statt. Lysosomen sind Zellorganellen, die für die Verdauung verschiedener Substanzen in den Zellen zuständig sind. Das Enzym IDS baut die GAGs ab, indem es von den verschiedenen Formen der GAGs (Dermatansulfat und Heperansulfat) eine bestimmte chemische Gruppe (Sulfat) abspaltet. Bei M. Hunter findet dieser Prozess durch das Fehlen oder den Mangel von IDS nicht mehr oder nur vermindert statt, wodurch sich die GAGs mit der Zeit im Körper ablagern und die verschiedenen Symptome der Erkrankung verursachen.1

Das IDS-Gen befindet sich auf dem X-Chromosom (eines der Geschlechtschromosomen), weshalb M. Hunter als X-chromosomal rezessive Erkrankung bezeichnet wird. Rezessiv bedeutet, dass sich bei einer Frau, die zwei X-Chromosomen besitzt, M. Hunter nur ausprägen wird, wenn beide X-Chromosomen das defekte Gen tragen. Ist nur eins ihrer X-Chromosomen betroffen, wird sie kein Hunter-Syndrom entwickeln. Allerdings wird sie in diesem Fall zur Überträgerin und kann die schadhafte Kopie des Gens an ihre Nachkommen vererben. Bei einem Mann, der ein X-Chromosom mit einem defekten IDS-Gen vererbt bekommt, wird sich der Enzymdefekt des Hunter-Syndroms ausprägen, da er nur ein X-Chromosom besitzt. Das zweite Geschlechtschromosom erhalten Männer stets von ihren Vätern, da es sich dabei um das Y-Chromosom handelt.
Die Wahrscheinlichkeit für die Vererbung des defekten Gens hängt also von mehreren Faktoren ab. Wenn eine Mutter beispielsweise Trägerin des Gendefekts ist, aber selber nicht erkrankt ist, liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Vererbung bei 50%. Ihre Nachkommen erhalten zu 50% ihr gesundes X-Chromosom und zu 50% ihr X-Chromosom mit dem defekten Gen. Dies trifft allerdings nur zu, wenn der Vater nicht an M. Hunter erkrankt ist. Es gibt noch einige weitere denkbare Szenarien:

Paare mit Kinderwunsch, die beispielsweise wissen, dass die Mutter Trägerin eines X-Chromosoms mit dem defekten Gen ist, können sich an eine genetische Beratung wenden. Außerdem gibt es verschiedene pränatale (vorgeburtliche) Diagnoseverfahren wie eine Fruchtwasser-Untersuchung oder Chorionzotten-Biopsie (Mutterkuchenpunktion), die dabei helfen können, das Erbgut der Nachkommen zu bestimmen.

1. Martin R et al. Pediatrics 2008;121(2): e377-e386.